Kolumne 37

Januar - „Ich lasse das Leben auf mich Regnen.”

 

Was machen Sie?

Nichts.

Ich lasse das Leben auf mich regnen.“

 

Rahel Varnhagen von Ense, Denkerin und Schriftstellerin, 1771–1833

 

 

Dolce far niente

 

Wörtlich übersetzt: süßes Nichtstun

 

Beim Lesen bin ich gerade auf diese schöne italienische Formulierung

für ein – wie ich finde – sehr wichtiges Lebensgefühl gestoßen. Man sollte diese Form des Nichtstuns in den Alltag einbinden, denn den eigenen Gedanken nachzuhängen, ist entspannend und kann Stress abbauen. Wir müssen uns aber selbst die Erlaubnis geben, nichts zu tun und aus dem Hamsterrad auszutreten. Der Blick und der Gang durch den winterlichen Garten oder durch die Natur sind mein tägliches Innehalten.

 

 

Im Winter sind vor allem die Hecken verantwortlich für die Raumwirkung in den Gärten. Streng geschnittene Hecken, die in der Natur so nicht vorkommen, bieten den spannungsreichsten Kontrast zu der Fülle und Üppigkeit von Stauden und Gräsern. Im Sommer fallen Hecken oft gar nicht so auf. Wenn überschäumende Pflanzenbilder ihnen die Schau stehlen, treten sie souverän einen Schritt zurück.

 

Aber im Winter, wenn die meisten Stauden platt am Boden liegen,

sind sie die Eyecatcher und sorgen für Struktur und Räumlichkeit im Garten. Ein schöner Dialog unter Pflanzen.

 

 

Einen schönen Dialog mittels Pflanzen haben wir dieses Jahr auch in unserer Freundesgruppe zelebriert. Der Pflanzenprotagonist war eine Amaryllis – in der Botanik unter der Gattung Hippeastrum geführt: Rittersterne. Die sogenannte echte Amaryllis (Amaryllis belladonna) blüht überhaupt nicht in der Weihnachtszeit.

 

Botaniker haben untereinander viele Jahre um die genaue Bezeichnung gerungen, und der Konflikt wurde erst nach 100 Jahren, 1987 nämlich, beigelegt. In unserem Sprachgebrauch bleibt es damit schlicht bei: Amaryllis. Wie dem auch sei: Sie blüht einfach fantastisch und imposant.

 

Jeder in unserer Freundesgruppe hatte ein solches, schönes Zwiebelexemplar auf der Heizung stehen. Und fortan begleiteten wir uns per Whatsapp über die Blüh- und Wuchsentwicklung über die Festtage hinweg. Fast ein kleiner Wettkampf. Eine Amaryllis hat – meines Erachtens – ganz klar gewonnen. Diese hier:

 

 

Zwei unserer Freunde zogen während der Feiertage mit ihrem Exemplar in den Burgund, anschließend nach Spanien ans mediterrane Meer, danach wieder in den Burgund – und jetzt kommt sie wieder nach Köln. Immer schön behütet eingepackt. Eine regelrechte Reiseamaryllis. Entspannt hat sie sich mit der Blühfreude zurückgehalten, um all die schönen Orte mit zu bereisen.

 

 

JETZT kommt ihr Auftritt. Sie hat auf ihren Moment gewartet, statt in die Knie zu gehen. Robust und standhaft. Glücklich werden mit Pflanzen bedeutet eben nicht immer, das schnellste Ergebnis zu bekommen.

 

 

„Ein Garten, der fertig ist, ist tot.“

 

H.E. Bates, englischer Schriftsteller, 1905–1974

 

 

„Ein Gutes hat der Schnee: Der eigene Garten sieht genauso hübsch aus wie der des Nachbarn.“

 

Clyde Moore, Gärtner

 

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer