Kolumne 40

Mai - Die Welt im Garten

 

„Wenn du in einem Garten keine Liebe machen kannst, wenn du dort nicht träumen oder dich betrinken kannst – asphaltier ihn doch, wozu ist er sonst gut?“

 

Tim Smit, englischer Archäologe, ehemaliger Popmusiker, Musikproduzent und Gartenbauer

 

 

Solche markigen Sätze gibt Tim Smit gerne zum Besten. Bekannt geworden ist er durch seine Gartenbauprojekte The Lost Gardens of Heligan und das Eden Project in Cornwall.

 

Ich wurde auf Tim Smit und sein Zitat schon vor 21 Jahren aufmerksam, und genau seit dieser Zeit ist es das Startzitat auf meiner Webseite. Tim Smit hatte seine erfolgreiche Karriere als Musikproduzent aufgegeben, ursprünglich um einen Ort zu finden und seltene Tiere zu züchten. Er zog mit seiner Familie und seinem vietnamesischen Hängebauchschwein von London nach Cornwall und stieß auf der Suche nach einem geeigneten Ort für seine Tierzuchtpläne auf einen zugewucherten, verlassenen Garten aus dem 12. Jahrhundert.

 

 

„Als müder Schwimmer in den Wellen der Zeiten

überlasse ich mich schließlich der Wogen Bauch,

sinke durch Jahrhunderte zu andren Breiten:

am Grund liegen begraben Schloß und Rosenstrauch.

Begraben in Schlummer und Zeit,

Verschlafen und rankenbedeckt,

die Steine über und über von Moos befleckt,

der Bergfried den Flechten geweiht.

Im Wasser unten sank ich in ein Bild hinein,

dort regt sich kein Lüftchen, nicht ein Laut stellt sich ein,

ein fernes Trugbild, das bei Berührung vergeht,

untergegangen im tiefen Brunnen der Zeit,

wie im Wasser, das tief in einem Graben steht …“

 

 

Die Neugier des studierten Archäologen war geweckt. Er war begeistert und inspiriert von seinem Zufallsfund. Er ließ den Gedanken an die Tierzucht fallen und erschuf mit vielen Helfern, Freunden und Gartenbauspezialisten in gerade einmal zwei Jahren den wunderbaren und mittlerweile sehr bekannten Landschaftspark in Heligan neu. Er versetzte den Ort wieder in den Zustand der viktorianischen Zeit. Dann machte er sich an sein nächstes Projekt: Eden Project, ein botanischer Garten in Cornwall. Hier stehen die derzeit größten Gewächshäuser der Welt. Seit 2002 findet jährlich ein großes Musikfestival im Eden Project statt.

 

 

„… Und hier, durch die Geburt fern von allen Moden,

lasse ich die Trance dieser Spiegelwelt in Ruh,

und bei meinem Gang wende ich der Welt oben

nichts als den Rücken zu.

 

Hier, wo man Tage und Jahre nicht zählen kann,

falle ich bleischwer, will nichts von Jahren wissen,

und im Schlummer verliere ich mich dann,

versunken, hingerissen ...“

 

 

Was mir am meisten an Tim Smit und seinem Zitat gefällt ist: Ich mach mein Ding.

 

Jedenfalls sehe ich das darin. Sich Orte schaffen, nicht nur davon träumen. Einfach loslegen. Dafür ist es gar nicht nötig, so fette Projekte wie The Lost Gardens of Heligan oder Eden Project zu erschaffen. Es geht einfach nur ums Machen. Nicht hundert Jahre drüber nachdenken, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, einfach mal loslegen.

 

 

„… Der Himmel, im Osten grün, im Westen rot getönt,

Hopfendarren sich unter blasse Hauben schmiegen,

das Fuhrwerk steht dumm mit aufrechter Deichsel herum,

als sich nun des Tages Leben an die Nacht gewöhnt.

Wie ein tiefes Meer kann die Nacht das Land verschlingen,

ebenso das Schloß, die Wiesen und das Bauerngut,

allein der bellende Wachhund ist stets auf der Hut,

er will die Kette gegen das Mondbrandmal schwingen …“

 

Es gibt viele Menschen, die sich im Garten gemütlich einrichten, ihn als Wohnort nutzen. Zumindest im Sommer. Ich freue mich, wenn ich in Gärten komme, in denen Leben stattfindet. Vor kurzer Zeit war ich für eine Beratung bei einer Gartenfreundin. Sie und ihr Mann haben eine Gartendusche, die er winters wie sommers zum Start in den Tag nutzt, mit kaltem Wasser! Meine Hochachtung. Das würde ich nie schaffen, aber ich freue mich sehr über solches Garten(er)leben. Oder Außenküchen. Prima. Sie müssen ja nicht von Otto Wilde oder Unikaad sein. Es geht auch einfach, preiswert und dennoch ästhetisch. Wollen und Machen zählt. Die Welt im Garten bietet dir eben mehr als nur eine gepflegte Rasenfläche und gezirkelte Pflanzenformen.

 

Das haben auch Marco Barooah-Siebertz und Wolfgang Meschede verstanden und ein Gartenbett entworfen, die SkyHeia. Letzten Herbst haben sie die SkyHeia bei unserer Ausstellung vorgestellt.

 

 

Die beiden sind selbst begeisterte Draußenschläfer und möchten mit ihrem handfesten, durchdachten, gemütlichen und toll designten Outdoorbett andere ermutigen, sich ebenfalls diesen Schlafgenuss zu ermöglichen.

 

Mein Mann und ich freuen uns schon, wenn Sie das nächste Mal bei uns ausstellen. Skyheia passt jedenfalls wunderbar in unseren Garten – und eignet sich natürlich auch für die Terrasse oder den Balkon.

Für interessierte Outdoor-Schläfer hier die Webseite: SkyHeia.com

 

 

„Im Saal tanzen hohe Schatten Wände entlang,

es flackerten die Kerzen im Luftzug ganz krumm,

über Scheiben floß rot der Sonnenuntergang,

doch nun beginnt die Nachtzeit und die Nacht der Zeiten,

ihr Dunkel wie ein Nomadenzelt zu bereiten,

so schwarz, die Wasser sich doppelt im Schlaf vermeinen.

Jahr und Jahrhundert zieht seine Bahn über der meinen,

die Kindheitsjahre sind verbannt,

die Jahrhunderte ungekannt,

ich träume, muß nicht weinen.“

 

Vita Sackville-West, 1892–1962, englische Schriftstellerin, Gartengestalterin des wunderbaren Sissinghurst

 

 

Sissinghurst ist für mich die schönste Umsetzung einer Idee. Wer mich kennt, weiß, wie sehr mich der Garten und das Leben der Erbauer Vita Sackville-West und Harald Nicolson berührt.

 

Das Gedicht Sissinghurst widmete Vita Sackville-West ihrer Freundin und Geliebten Virginia Woolf. Ehemann Harald Nicolson hielt es für das beste, das sie je geschrieben hat. Über das Leben der beiden sind Bücher gefüllt worden. Zu recht, wie ich finde. Die beiden kauften 1930 das Castle of Sissinghurst – damals nicht viel mehr als ein heruntergekommenes Anwesen mit einer burgähnlichen Bebauung. Daraus haben sie eine der berühmtesten Gartenanlagen der Welt erschaffen. Mit Leidenschaft zum Gärtnern und Gestalten.

 

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer