Kolumne 39

April - „Und drüber träumt ein Mensch vom Glück“

 

„Meinen Garten liebte ich vom ersten Moment an, obwohl er da noch von wenig einnehmendem Wesen war. Ich ahnte da schon etwas von seinen versteckten Geheimnissen, seiner zukünftigen Schönheit und seinem Zauber. Je mehr ich mich mit ihm beschäftigte, je mehr Arbeit ich in ihn steckte, desto mehr begann ich zu entdecken, wieviel so ein Garten einem zurückgeben kann: Ruhe, Gelassenheit, Harmonie und Selbstbestätigung. In und mit einem Garten zu leben, verändert nicht nur das tägliche Dasein, sondern auch das Bewußtsein. Das Zeitgefühl verschiebt sich, das Leben verläuft in anderen zeitlichen Dimensionen...“

 

Peter Würth, deutscher Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer

 

 

Im Frühling machen wir Pläne, haben Vorsätze und stürzen uns ins Geschehen. Fast täglich gibt es neue Blüten bei uns im Garten, und die unvergleichbaren Frühlingsdüfte wecken die Freude am Draußensein. In den Beeten tobt das Leben, und in den Sträuchern und Bäumen plaudern aufgeregt die Vögel. Während wir gärtnern und gestalten, erneuern wir unseren Ort ständig aufs Neue.

 

 

„Wenn ihre Knie am Ende des Tages nicht grün sind, sollten Sie ihr Leben ernsthaft überdenken.“

 

Bill Waterson, amerikanischer Comiczeichner

 

 

Von Gartenfreunden haben wir neulich 2 Blumenzwiebeln geschenkt bekommen. Solche Geschenke finde ich prima. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Zwiebel in der Erde steckt, kann man gespannt beobachten, was daraus entstehen wird. Wochenlange Freuden stecken da in der Erde.

 

Die eine Zwiebel ist eine Galtonia candicans (Kap Hyazinthe). Diese Zwiebelschönheit stammt aus Südafrika und erreicht eine Höhe von circa einem Meter. Zwischen Juli und September verwöhnt sie uns mit schneeglockenartigen, weißblühenden Blütenrispen, die aus einem linearen Blätterhorst wachsen.

 

Die andere Zwiebel ist eine Eucomis pole evansii (Schopflilie) und stammt ebenfalls aus Südafrika. Sie entwickelt an einem langen Stengel kleine cremefarbene bis grünliche Blüten. Die Blüte ähnelt einer Ananas. Deshalb wird sie auch Ananasblume genannt. Wenn sie gut anwächst, kann sie circa 1,60 Meter hoch werden.

 

 

„Wenn wir uns für die Entwicklung der uns anvertrauten Pflanzen interessieren, wird sie Teil unseres eigenen Lebensrhythmus und wir werden dadurch erfrischt.“

 

Thalassa Cruso, britische Moderatorin und Autorin, 1909–1997

 

 

Beide Zwiebeln pflanze ich jeweils in einen größeren Tontopf, da sie nicht winterhart sind. Sie passen prima zu unseren Agapanthus (Schmucklilien), die in vielen Pflanzgefäßen auf unserer Terrasse stehen. Übrigens kommen auch diese wunderschönen Pflanzen aus Südafrika und müssen im Winter vor Kälte geschützt werden.

Um beim Topftheater zu bleiben: Als Dahlien-Fan pflanze ich jedes Jahr aufs Neue Dahlienknollen in Tontöpfe. Es liegt mir nicht, sie jedes Jahr wintergerecht auszubuddeln und in ihr Kellerquartier zu bugsieren. So entscheide ich mich jedes Jahr im März für neue fantastische Sorten. Dieses Jahr freue ich mich auf Blüten von Misses Dutch, Break Out, Mango Madness, Penhill Watermelon, Café au lait und einige mehr...

 

Gerade hat mein Mann verkündet, dass er dieses Jahr die Dahlienknollen fachgerecht vorm ersten Frost aus der Erde buddeln möchte. Gute Idee finde ich. Seine Knie sind am Ende des Tages viel zu selten grün.

Beim Gärtnern mit Pflanzgefäßen interessieren mich andere Aspekte, als beim Gärtnern im Freiland. Im Garten begeistern mich Flächen von Stauden- und Gräsergruppen. Keinen Obstsalat bitte! Damit meine ich, nicht von jeder Staude nur ein Exemplar pflanzen, sondern immer den großen Schwung wagen. So legen wir Landschaften an. Das funktioniert auch mit kleinen Gärten. Weniger Sorten ist mehr.

 

Beim Gärtnern in Topfkultur habe ich bei uns eine sogenannte Stammbepflanzung angelegt: Ahornsträucher und Agapanthus. Dazu kommen dann die vielen schönen Dahlienpflanzen, deren Knollen jedes Jahr neu eingebuddelt werden. So haben wir übers Jahr hinweg immer imposant blühende Eyecatcher auf unserer Terrasse.

 

 

Neulich beim Zeitungslesen bin ich an einem Artikel hängengeblieben: Verkaufsverbot von Kirschlorbeer, Schmetterlingsstrauch etc. in der Schweiz. Sie werden als invasive Arten bezeichnet, die sich schnell verbreiten und somit die heimische Flora und Fauna beeinträchtigen oder sogar zurückdrängen.

 

Das fand ich sehr interessant, weil diese beiden Pflanzen in vielen Gärten bei uns hier in Deutschland zu finden sind. Ich habe zwar in meinen 21 Jahren als Gartengestalterin weder mit Kirschlorbeer noch Schmetterlingsstrauch geplant, aber beliebt sind sie schon. Selbst in unserem Privatgarten steht eine lange gewellte Kirschlorbeerhecke. Damals – vor rund 25 Jahren – schien sie mir für den Ort bestens geeignet. Heute würde ich anders entscheiden.

 

Einen Schmetterlingsstrauch hatten wir nie, da er mir im Gesamterscheinungsbild nicht zusagt. Und er ist interessanterweise gar nicht so insektenfreundlich, wie immer behauptet wird. Er lockt zwar Schmetterlinge und Insekten an, doch die Tiere scheuen sich, ihre Eier dort abzulegen. Die Eier wiederum wären wichtig, um anderen Insekten und Vögeln als Nahrung zu dienen. Also könnte man den Schmetterlingsstrauch durchaus als überschätzten Insektenstrauch bezeichnen.

 

So verändern sich Einschätzungen über Pflanzen bedingt durch die Veränderungen auf unserer Erde. Und es ist gut, einen genauen Blick darauf zu behalten, wo wir korrigieren müssen, damit alles im Fluss bleibt.

 

 

„Mein Weltenstück

 

Vieltausendmal derselbe Blick

Durchs Fenster in mein Weltenstück

Ein Apfelbaum im blassen Grün

Und drüber tausendfaches Blühn,

So an den Himmel angelehnt,

Ein Wolkenband, weit ausgedehnt …

Der Kinder Nachmittagsgeschrei,

Als ob die Welt nur Kindheit sei;

Ein Wagen fährt, ein Alter steht

Und wartet bis sein Tag vergeht,

Leicht aus dem Schornstein auf dem Dach

Schwebt unser Rauch den Wolken nach …

Ein Vogel singt, und zwei und drei,

Der Schmetterling fliegt rasch vorbei,

Die Hühner fressen, Hähne krähn,

Ja lauter fremde Menschen gehen

Im Sonnenschein, jahrein, jahraus

Vorbei an unserem alten Haus.

Die Wäsche flattert auf dem Strick

Und darüber träumt ein Mensch vom Glück,

Im Keller weint ein armer Mann,

Weil er kein Lied mehr singen kann …

So ist es ungefähr bei Tag,

Und jeder neue Glockenschlag

Bringt tausendmal denselben Blick,

Durchs Fenster in mein Weltenstück ...“

 

Thomas Bernhard, österreichischer Schriftsteller, 1931–1989

 

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer